
Das Kiefergelenk des Pferdes ist viel mehr als nur ein kleines Gelenk im Kopf – es ist ein zentraler Schlüssel für die Gesundheit, für das Gleichgewicht, für die Losgelassenheit & für die Leistungsfähigkeit deines Pferdes.
Wenn das Kiefergelenk durch Verspannungen oder Blockaden in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist, kann das massive Folgen mit sich bringen, die sich auf den gesamten Körper deines Pferdes auswirken können.
Das Kiefergelenk: Was erwartet dich?!
- Grundlagen zur Anatomie des Kiefergelenkes
- Verstehe wie das Kiefergelenk funktioniert - Biomechanik & Funktion
- Erkenne die funktionellen Zusammenhänge - Warum ist das Kiefergelenk der Schlüssel zum Motor?
- Praktische Übungen & wirkungsvolle Physio-Tipps für dich & dein Pferd für ein lockeres Kiefergelenk

Das Kiefergelenk - Die Anatomie
Das Kiefergelenk, auch Articulatio temporomandibularis genannt, verbindet den Unterkiefer mit dem Schädel & befindet sich seitlich am Kopf deines Pferdes auf Höhe zwischen Ohr & äußerem Augenwinkel.
Wie jedes Gelenk - besteht auch das Kiefergelenk aus mehreren wichtigen Strukturen:
- Knochen: Die gelenkbildenden Knochen sind der Unterkieferknochen & das Schläfenbein am Schädelknochen. Der Unterkiefer bildet den Gelenkkopf, das Schläfenbein die Gelenkpfanne.
- Gelenkknorpel: Der Gelenkknorpel bedeckt die gesamte Gelenkflächen & sorgt für eine reibungslose & geschmeidige Bewegung des Gelenkes. Wie in jedem Gelenk dient auch hier der Knorpel wie eine Art Puffer & schützt die knöchernen Strukturen vor falscher Belastung & Abnutzung.
- Gelenkbänder: Die Bänder stabilisieren das Gelenk & sorgen für die richtige Position der Gelenkflächen zueinander. Dennoch ermöglichen sie zeitgleich die notwendige Flexibilität des Gelenkes.
- Muskeln: Zahlreiche Muskeln sind an der Kaubewegung & Feinjustierung des Kiefergelenkes beteiligt. Ist auch nur ein Muskel verspannt & kann seiner Aufgabe nicht nachkommen, kann das diverse Konsequenzen mit sich bringen, vergleichbar mit einem Uhrwerk - dreht sich nur ein Zahnrad nicht richtig - & sei es noch so klein - sind alle anderen Zahnräder mit involviert.
Das Kiefergelenk: Biomechanik & Funktion
Das Kiefergelenk lässt verschiedene Bewegungsrichtungen
- öffnen & schließen des Mauls
- seitliche & vorwärts-rückwärts Bewegungen
zum Verkleinern & Zermahlen der Nahrung, zur Kommunikation mit Artgenossen, aber auch z.B. zur Fellpflege zu.
Ein funktionstüchtiges Kiefergelenk - d.h. eine fein abgestimmten Zusammenarbeit & Biomechanik aller beteiligten Strukturen - ermöglicht nicht nur eine optimale dreidimensionale Kaubewegung zur Futteraufnahme - nein - es ist auch unerlässlich für die Körperhaltung, die Losgelassenheit, die Leistungsfähigkeit & die Balance deines Pferdes.
Das Kiefergelenk & der Magen-Darm-Trakt...
Aber auch Verdauungsprobleme lassen sich mit dem Kiefergelenk in Zusammenhang bringen, da die Nahrung nicht optimal zerkleinert & für den Verdauungsprozess vorbereitet wird.
Ebenfalls kann ein eingeschränktes Kiefergelenk zu Schluckbeschwerden führen & das Abschlucken des Speichels erschweren, dabei ist dieser besonders wichtig zum Schutz der Magenschleimhaut vor der körpereigenen, aggressiven Magensäure.
Auch die Zähne bzw. die Zahnstellung hat einen großen Einfluss auf das Kiefergelenk & somit auf den Magen-Darm-Trakt.
Eine ungleichmäßige Kaubewegungen durch Zahnfehlstellungen, Entzündungen oder Hakenbildung können ebenfalls das Gelenk falsch belasten & zu Verspannungen & Bewegungseinschränkungen im Kiefergelenk führen.
Sobald ein Gelenk fehlbelastet wird wirkt sich das wiederum automatisch auf die beteiligten & umliegenden Strukturen aus!

Das Kiefergelenk & der Schlüssel zum Motor...
Durch die muskulären & faszialen Verbindungen, die weitreichend durch den Körper verlaufen, kann man sich gut vorstellen, wie ein blockiertes Kiefergelenk ebenfalls die Hinterhand beeinflussen kann - Reminder: Das Zahnrad im Uhrwerk.
Beispiel anhand des M. longissimus:
Der M. longissimus, auch bekannt als langer Rückenmuskel, ist einer der wichtigsten Muskeln im Körper deines Pferdes. Er verläuft entlang der gesamten Wirbelsäule & verbindet dabei den Kopf mit der Hinterhand.
Anteile dieses Muskels finden ihren Ursprung am Kreuzbein & an den Darmbeinflügeln vom Becken, andere Anteile wiederum entspringen an der Hals-, Brust- & Lendenwirbelsäule bis der vordere Anteil schließlich am Atlasflügel des 1. Halswirbel & sogar direkt am Schläfenbein ansetzt. Reminder: Das Schläfenbein bildet die Gelenkpfanne des Kiefergelenkes.
So wird schnell klar, dass das Kiefergelenk unmittelbar mit dem Genick, der Hals-, Brust- & Lendenwirbelsäule, sowie dem Becken & dem Kreuzdarmbeingelenk in enger bzw. direkter Verbindung steht & darüber ebenfalls Einfluss auf die gesamte Hinterhand hat - aber auch umgekehrt.
Jedoch gibt es nicht nur diese eine muskuläre Verbindung - Nein! - es sind verschiedene Muskeln & Muskelgruppen, die Verbindungen zu anderen Körperregionen herstellen & auch der direkte Zusammenhang über die Faszien darf hier nicht unerwähnt bleiben!
Ist die Hinterhand oder das Becken mit dem Kreuzdarmbeingelenk zur Schubentwicklung & Schubübertragung eingeschränkt, gibt es auch keine Losgelassenheit, keine Tragkraft & keine Gesunderhaltung deines Pferdes.
Wie in einem Uhrwerk, eine Bewegungseinschränkung des einen "Zahnrads" - egal, ob Faszie - Muskel oder Gelenk - hat das über kurz oder lang - auch eine Bewegungseinschränkung des anderen infolge!
Anhand dieser Beispiele kann man sich gut vorstellen, warum Probleme im Kiefergelenk weitreichende Folgen durch den gesamten Pferdekörper haben kann & warum das Kiefergelenk der Schlüssel zum Motor ist!
Natürlich ist es umgekehrt genauso möglich, dass Genick-, Rücken-, Hinterhand- oder Kreuzdarmbeinprobleme das Kiefergelenk negativ beeinflussen.

Das Kiefergelenk & die Balance...
Durch zahlreiche nervale Verbindungen zum Kopf & der Halswirbelsäule, aber auch durch die anatomische Nähe zum Innenohr (beinhaltet das Vestibula System = Gleichgewichtsorgan), sowie die weitreichenden muskulären Verbindungen durch den gesamten Pferdekörper ist das Kiefergelenk ein wichtiger Baustein für das Gleichgewicht deines Pferdes.
Wenn dieser Baustein nicht richtig funktioniert oder sogar fehlt, wirkt sich das auf die gesamte Körperhaltung deines Pferdes aus. Das Pferd versucht die fehlende Balance über andere Mechanismen auszugleichen z.B. in dem es seine Beine weiter auseinander stellt & somit mehr Stabilität im Stand hat. Dadurch verändert es jedoch seine Statik, dem sich die anderen Strukturen wiederum anpassen müssen. Diese Fehlhaltung kann wiederum zu Verspannungen im Genick, Rücken & anderen Muskelgruppen führen.
Das Ergebnis ist nachfolgend eine Fortsetzung der gestörte Balance, die sich auf die Beweglichkeit, Leistungsfähigkeit & die allgemeine Gesundheit deines Pferdes auswirkt.

Das Kiefergelenk als Stoßdämpfer...
Eine weitere Funktion des Kiefergelenkes ist es Stöße abzufedern, die beim Laufen, Springen oder auch beim Fressen entstehen.
Es wirkt wie eine Pufferzone, die die Belastungen auf den gesamten Bewegungsapparat reduziert & abfängt. Ist das Kiefergelenk in seiner Bewegung blockiert, kann dies zu einer erhöhten Belastung der anderer Strukturen führen, was langfristig zu Schmerzen, Verspannungen & Fehlhaltungen führen kann.
Mache den Selbsttest: Presse deine Backenzähne aufeinander & halte dies - sofort wirst du spüren, dass sich dein gesamter Nacken mit verspannt....! Je länger du diese Position hältst - spürst du vielleicht sogar auch, wie diese Verspannung weiter bis in den Rücken runter zieht... Erstaunlich, oder?
Mache einen weiteren Selbsttest: Gehe 3x die Woche für ca. 2 Monate mit aufeinander gepressten Zähnen joggen - du wirst erstaunt sein, was passiert..... Das werde ich an dieser Stelle nicht verraten - gib mir gerne deine Rückmeldung!
- Kleiner Tipp am Rande: Dein Pferd wird dich verstehen!

Ein gestörtes Kiefergelenk kann viele Ursachen haben & kann eine Kette von Problemen auslösen, die den gesamten Bewegungsapparat betreffen. Je länger muskuläre Verspannungen & Blockaden im Körper bestehen - desto umfassender sind die Folgen!
Das Kiefergelenk & die Trense...
Auch deine Trense, die unpassend oder zu stramm verschnallt ist kann das Kiefergelenk stark beeinträchtigen. Die Stoßdämpferfunktion auf den Pferdekörper ist aufgehoben & die Losgelassenheit deines Pferdes nicht mehr möglich - mit weitreichenden Folgen! - Lese hierzu gerne meine Beiträge zum Thema: "Der Trensen-Check" & "Der Sperrriemen" - hier sind weitere Auswirkungen ausführlich beschrieben inkl. Selbsttests.
Das Kiefergelenk & die Natur...
Achtung - aufgepasst!
Die natürliche Position deines Pferdes beim Grasen - also Kopf tief über den Boden nach Grashalmen suchend - ist die beste "Übung" bzw. Körperhaltung zur Gesunderhaltung deines Pferdes. Der schwere Kopf, der beim Grasen nach unten "zieht" - herzlich Willkommen Schwerkraft - entlastet die Kiefergelenke & dehnt die Nackenmuskulatur.
Ebenfalls wird - wieder einmal dank der Schwerkraft - der Unterkiefer weiter nach vorne-unten gezogen, so erfolgt eine optimale Positionierung der Kaufläche - was zu damaligen Zeiten der Wildpferde bei optimaler Futterqualität die Hakenbildung verhindert hat.
Weiterhin erfolgt eine ständige Mobilisation der Kopfgelenke, um die Grashalme gezielt abzuzupfen, was sich wiederum äußerst positiv auf die Kiefergelenke & die umgebenden Strukturen auswirkt.

Wertvolle Physio-Tipps für ein lockeres Kiefergelenk
Sanfte Massage des M. Masseter
Sorge für eine entspannte Kaumuskulatur, indem du sie regelmäßig massierst. Bereits wenige Minuten je Körperseite sind ausreichend, um Verspannungen zu lösen.
Stelle dich seitlich neben dein Pferd & lege sanft die flache Hand oder die flachen Fingerkuppen auf den M. Masseter (s. Foto). Gehe dabei äußerst sanft vor - dein Pferd sollte keine Abwehrreaktionen zeigen, sondern sich im besten Falle während der Massage entspannen. Du kannst die Muskulatur sanft ausstreichen oder in langsamen, rhythmisch-kreisenden Bewegungen vorgehen. Achte darauf, dass du keinen Druck auf knöcherne Strukturen auslöst, sondern immer im Bereich des weichen Muskelgewebes bleibst.
Sanfte Massage des M. temporalis
Auch der Schläfenmuskel ist über eine Massage sehr dankbar.
Gehe hier genauso vor wie bei der Massage des M. Masseters.
Schaue dir vorab auch gerne beide Stirnhälften deines Pferdes an & vergleiche beide Seiten miteinander.
Fällt dir vielleicht auf, das ein Muskel ausgeprägter ist als der andere? Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass dein Pferd bevorzugt auf dieser Seite kaut & die andere Seite vermeidet bzw. schont.
Wie immer bin ich ein Freund davon, der Ursache auf den Grund zu gehen - ob Zahnprobleme - Kiefergelenksprobleme oder andere Dysbalancen im Körper - um langfristige Folge zu vermeiden - solltest du dich auf der Suche nach der Ursache machen.
Abkau-Übung:
Stelle dich seitlich neben dein Pferd & lege 2 Finger in die Lade deines Pferdes unter die Zunge. Mit der anderen Hand greifst du unter den Kopf her & legst sie auf den Nasenrücken, so fixierst du sanft den Kopf deines Pferdes & verhinderst, im Falle, dass sich dein Pferd mal erschreckt, dass deine Finger der anderen Hand im Maul verrutschen & zwischen die Zähne gelangen.
Im Bereich der Lade sind deine Finger sicher, hier befinden sich keine Zähne.
Sind dein Finger platziert, wird dein Pferd automatisch anfangen zu kauen - tut es das nicht - kannst du mit den Fingern an der Zunge oder am Zungengrund etwas kitzeln - Erinnerung: bleibe immer im Bereich der Lade!
Die Kaubewegung deines Pferdes sollte sich mit der Zeit immer weiter vergrößern - achtern darauf, dass dein Halfter im unteren Bereich locker genug eingestellt ist, damit dein Pferd größtmögliche Kaubewegungen machen kann & nicht durch das Halfter eingeschränkt wird.
Anschließend wechsle auf die andere Seite & wiederhole die Übung auch hier - Beobachte, ob dir Seitenunterschiede auffallen - ist die Reaktion deines Pferdes auf einer Seite besser oder auffallend schlechter als auf der anderen Seite? Waren auf einer Seite die Kaubewegungen ausgeprägter oder war die Zungenbewegung auf einer Seite eingeschränkt bzw. intensiver?
All das sind Anzeichen für Bewegungseinschränkungen, Verspannungen & Blockaden, die mit dieser Übungen gezielt gelöst werden können.
Kau-Übung mal anders:
Stelle dich wieder seitlich neben dein Pferd. Gib deinem Pferd ein Leckerli oder ein kleines Stück Möhre. Platziere deine Hand mit der flachen Handfläche von unten an beiden Unterkieferästen deines Pferdes & versuche durch sanften Druck von unten, das Maul während des Kauens zuzudrücken - Sprich, versuche mit sanften Druck zu verhindern, dass dein Pferd kaut.
Dein Pferd wird natürlich gegen diesen Druck arbeiten & trotzdem kauen - auch durch diese Übung wird das Kiefergelenk mobilisiert. - Achte besonders auf deine eigene Sicherheit, manche Pferde können während der Übung mit dem Kopf schlagen.

Übungen fürs Genick:
Du hast meine Beiträge zum Thema Genick gelesen? - Super! - Alle genannten Übungen für das Genick wirken durch die muskulären & faszialen Verbindungen indirekt auch auf das Kiefergelenk.
Hältst du das Genick deines Pferdes fit & locker & lässt regelmäßig die Zähne deines Pferdes kontrollieren - kannst du ebenfalls Kiefergelenksprobleme sehr effektiv vorbeugen!
Am Anschluss an die Übungen:
Beobachtest du nach den Übungen, dass dein Pferd abkaut - gähnt - die Augen schließt - den Kopf entspannt fallen lässt oder auch den Kopf schüttelt? Dann hast du eine prima Arbeit gemacht & deinem Pferd sehr geholfen!
Achte bitte darauf, dass auch hierfür das Halfter weit genug eingestellt ist, wie du auf den folgenden Fotos siehst, ist hier das Halter zu eng & das Pferd in seinem Gähnen eingeschränkt.
Praktische Alltags-Tipps für ein gesundes Kiefergelenk
Nutze die Natur!
Wie du bereits erfahren hast, ist die natürliche Haltung beim Grasen bereits eine Mobilisation für das Kiefergelenk deines Pferdes & eine Dehnung für die umgebende Muskulatur - also nutze diese gesunde Haltung so oft du kannst!
Füttere dein Pferd wann immer du kannst - vom Boden aus - ob Heu, Kraftfutter, Leckerlis! - je länger es mit gesenktem Kopf am Boden kaut - desto besser! - Nutze die Schwerkraft & schone deinen Geldbeutel...!

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Dann kontaktiere mich einfach & gib mir Rückmeldung welche Themen dich besonders interessieren!
Ich freue mich, von dir zu hören - für mehr Tipps im Alltag - zur Gesunderhaltung deines Pferdes - für mehr Losgelassenheit & Leistungsfähigkeit - für mehr Unterstützung auf deinem Weg mit deinem Pferd !!
Bis bald!
Deine Mona
